Manorainjan:Dating:finden

Pablo Picasso mit seiner zweiten Frau Jacqueline Ich suche nicht - ich finde.
Suchen,
das ist das Ausgehen von alten Beständen und das Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuen.
Finden, das ist das völlig Neue! Das Neue auch in der Bewegung.
Alle Wege sind offen, und was gefunden wird, ist unbekannt.
Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer.
Die Ungewissheit solcher Wagnisse können eigentlich nur jene auf sich nehmen, die sich im Ungeborgenen geborgen wissen,
die in der Ungewissheit, der Führerlosigkeit geführt werden,
die sich im Dunklen einem unsichtbaren Stern überlassen,
die sich vom Ziele ziehen lassen
und nicht, menschlich beschränkt und eingeengt,
selbst das Ziel bestimmen.
Dieses Offensein für jede neue Erkenntnis im Außen und Innen:
das ist das Wesenhafte des modernen Menschen,
der in aller Angst des Loslassens doch die Gnade des Gehaltenseins
im Offenwerden neuer Möglichkeiten erfährt.
Pablo Picasso

Der "digitale "Single:

Ganz anders als der Lebens-Künstler Picasso geht der "moderne" Single mit Traumpartnerkonzept vor. Ihm dient der Traumpartner (von den Psychologen "generisches Partner-Objekt" genannt) als Schablone, die er an neue (potenzielle) Kontakte anhält um dann zu entscheiden: "passt" oder "passt nicht", ganz im Sinne moderner binärer Logik. Man will nicht wissen, wer der andere ist, man will nur wissen, ob er passt.
Gibt es eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein reales, älteres Individuum in eine Traumpartner-Schablone passt?
Nein! Es passt nie.
A
lso, was tun?

  • Weiter gehen, "mehr desselben", der Nächste bitte, nie ankommen.
  • Die eigene Vorstellung vom Traumpartner der "Realität" anpassen, sich in Überanpassung üben, sich verlieren, frustrieren, scheitern.
  • Das Individuum dem Konzept anpassen, jemanden "ändern", viel Energie verschwenden, anderen das Leben schwer machen, scheitern.
  • Das Bild, dass man vom Individuum hatte dem unveränderten Konzept anpassen, sich in Schwärmerei ergehen, in der Illusion leben, bis dass die Blase platzt, scheitern.
  • Einsehen, dass niemand "gut genug" für einen ist, die Hoffnung aufgeben, den Wunsch verdrängen, depressiv werden, innerlich absterben, verhärten, "am Leben" scheitern.
  • Nehmen, das geboten wird, wissen, dass es nicht das "richtige" ist, "festhalten und weiter-suchen", diesen haben, jenen wollen, keinen lieben.

Dekonstruktion

Der Mensch macht sich nicht nur Bilder von seinen Mitmenschen, so wie Brecht es aufgefasst hat. Gleichzeitig bildet er auch ein "Generisches Partner-Objekt", also eine Vorstellung davon, wie ein idealer Partner auszusehen hat. Die wesentlichen Eigenschaften einer solche Traumfrau oder eines Traummannes bilden sich in der Kindheit heraus, unabhängig davon, wie sinnvoll das Ergebnis ist.
Im Verlaufe von wohlmöglich mehreren Partnerschaften, Liebschaften oder auch nur Schwärmereien kann sich dieses Partner-Modell mehr oder weniger stark verändern.
Insbesondere unerfüllte Bedürfnisse und frustrierende Erfahrungen führen zu Wunschvorstellungen wie ein Partner zu sein hat, damit er diese Bedürfnisse erfüllt. Auch besonders positives Erleben wird den Wunschpartner so gestalten, dass sie/er letztlich alle diejenigen positiven Eigenschaften hat, die man jemals in früheren Partnern gesehen hat und alle diejenigen negativen Eigenschaften, die man an ihnen gehasst hat, nicht hat.
So wird die Wunschvorstellung zum Über-Menschen und entfernt sich immer weiter von den realen Mit-Menschen, die zudem die Eigenschaft haben, immer älter zu werden, was oft bedeutet: unattraktiver, gebrechlicher, neurotischer, verhärteter eingebundener und ihrerseits auch anspruchsvoller(!).

Frage Dich einmal selbst, ob Du Dich im Laufe Deines Lebens dermaßen positiv weiter entwickelt hast, dass Du mit der Entwicklung Deines Wunschpartners Schritt gehalten hast! Bist Du zu dem Menschen geworden, der Deinem Traumpartner, wenn es sie oder ihn denn geben würde, ein beeindruckendes, inspirierendes Gegenüber ist? Mache eine Liste mit all den wünschenswerten Eigenschaften Deines Traumpartners. Mache eine Liste mit Deinen Eigenschaften. Vergleiche diese Listen kritisch.

Verlorene Unschuld ...

Ein Bisschen schwanger? Nur aus versehen gestorben? Das habe ich alles nicht gewollt!? Habe ich das wirklich nicht gewollt, in dem einen Moment in dem ich meine "Unschuld" verlor? Entscheidend ist nicht, was ich gewollt habe und ob ich bekommen habe, was ich wollte. Entscheidend ist, was ich gemacht habe und wo ich mit-gemacht habe. Du bist über 40? Wie viele "Partner" hast Du "gehabt"? Wie "unschuldig" bist Du heute wirklich? Ich hoffe für Dich, dass es sich gelohnt hat, denn nun ist es Vergangenheit und die kommt bekanntlich nie wieder zurück. Und Du bekommst Deine "Unschuld" nicht dadurch zurück, dass Du nicht anerkennst, was Du dafür bekommen hast. Das Universum hat keine Reklamationsabteilung, der Preis wird immer bezahlt - gekauft wie besehen. Sei doch mal spontan! Na los! Mach' doch! Jetzt! Trotz all Deiner Altlasten ... oder erwartest Du "Spontaneität" (das tun, was Du gerade von ihnen erwartest) immer nur von anderen?
Was hast Du gemacht, in den letzten Dekaden? Bist Du erwachsen geworden, oder nur alt? Was hast Du gelernt aus Deiner Vergangenheit und aus den Fehlern der anderen? Kannst Du das Gelernte jetzt erfolgreich anwenden? Lebst Du im Jetzt, oder im Gestern? (wo bekanntlich alles besser war ;-)

Familie als Keimzelle der Gesellschaft?

Ist eine Patchwork-Familie auch Familie in diesem Sinne? Oder sind unsere Wahlverwandten unsere Familie?

Wir leben mitten im wuchernden Kapitalismus, der eine Form des Materialismus ist. Wir nennen es Leistungsgesellschaft und wir werden Humankapital genannt. Gelebte Spiritualität ist für die meisten Menschen nur ein Kuriosum. Das Verlangen nach "Höherem" erschöpft sich in Großsprecherei, in Worthülsen und leerer Symbolik und in Hinsicht auf die spirituelle Entwicklung wirkungslosen Ritualen. Der Esoterik-Markt bietet unterschiedlichste Ersatzbefriedigungen feil. Mein Lieblingsbeispiel ist die "Firmenphilosophie", die i.d.R. tatsächlich eher eine "Marketingstrategie" ist. So muss der Traumpartner also auch das Verlangen nach Glückseligkeit erfüllen, weil man es versäumt hat, frühzeitig eine spirituelle Grundausbildung zu machen und die eigenen spirituellen Fähigkeiten zu entwickeln.

Das einem solchen Erwartungsdruck kein realer Partner standhalten kann, versteht sich von selbst. So werden z. B. persönliche Freiheiten in sexuellen Leistungsdruck pervertiert. "Blümchensex" (was auch immer das sein soll) wird wie ein Schimpfwort verwendet und Jungfräulichkeit gillt eher als Perversion als die diversen Spielarten des BDSM. Der Katalog-Charakter von Online-Dating-Datenbanken verleitet weiterhin dazu, den anderen zum Objekt der Begierde zu machen.

Das sind alles Einflüsse, die einer echten Partnerschaft im Wege stehen. Es ist notwendig, sich dessen bewusst zu werden und diese Einflüsse Stück für Stück zu revidieren. Das ist ein hartes Stück Arbeit, dass nicht in einer Nacht zu erledigen ist. Die Falle des Selbstbetruges lauert in jedem Gedankengang. Supervision durch wohlmeinende und kompetente Personen bzw. Gruppen ist unerlässlich. Einzelkämpfertum ist keine Beziehungsstrategie. Wie Joseph Beuys schon sagte: "Kunst ist Arbeit an der Sozialen Plastik." und "Jeder Mensch ist ein Künstler."

1/2011