So ist zumindest meine Meinung. Ich betreibe schließlich
keinen Online-Dating-"Service", und deshalb ist mein Ziel nicht der Profit auf
dem Rücken der unerfüllten menschlichen Bedürfnisse vieler. Ich baue weder konkret
noch im übertragenen Sinne an einer Kontaktverhinderungs-Maschine. Ich baue
an meinem bzw. unseren sozialen Netzwerk.
Aus einer Untersuchung von
Margaret Mead über Probleme beim Dating amerikanischer Soldaten mit britischen
Mädchen während des WW-II geht hervor, dass dieses Verfahren aus ca. 30 aufeinander
folgenden Verhaltensformen vom ersten Hallo bis zum GV durchläuft, wobei
es enorme Unterschiede in der kulturell üblichen Reihenfolge dieser Verhaltensformen
gibt. Bei den Amis steht z B. der Kuss an Stelle 5 und bei den Briten an Stelle
25, also kurz vorm GV. So etwas führt natürlich leicht zu Missverständnissen in
Form von Ohrfeigen oder ungewollten Kindern. Und wer will das schon?
Hast Du Dir mal überlegt, wie Deine Vorstellungen aussehen? Gehst Du davon aus,
dass Dein Gegenüber exakt die gleichen Vorstellungen hat, oder dass Deine Vorstellungen
selbstverständlich sind und von allen anderen sowie implizit geteilt werden? Oder
kommunizierst Du Deine Vorstellungen, weil Du Missverständnisse und unnötige Reibung
vermeiden möchtest? Weiß Man(n) woran man bei Dir ist?
Meine Vorstellungen von den Rahmenbedingungen für ein erstes Date sehen
etwa so aus:
- Vorlauf: Ich finde es nicht wichtig vorher viele Mails
auszutauschen oder lange zu telefonieren. Ich finde es noch nicht einmal hilfreich.
Sollte das erste Date gut verlaufen, kann man das alles immer noch ausgiebig
machen und weiß dann auch, mit wem man kommuniziert und was es einem
bedeutet. Ich verwende meine kostbare Zeit sehr viel lieber auf den persönlichen
Kontakt. Andererseits mache ich keine blind-Dates. Ein Bild
muss ich vorher haben.
- Initiative: Ich freue mich, wenn die Initiative von Dir ausgeht.
Ich sehe zwar ein, dass es im Grunde meine geschlechtsspezifische Aufgabe
ist, aber ich brauche es nicht, die Initiative zu haben.
- Wochentag: Ist mir egal, nur Dienstag Nachmittag
ist immer schlecht.
- Tageszeit: Ich bevorzuge die späte Mittagszeit und sonniges Wetter,
muss aber nicht sein. Morgens um 5:00 ist mit mir nicht viel los. Abends geht
zwar auch, aber ich ziehe Tageslicht bei weitem vor.
- Dauer: Eine Stunde Zeit sollte schon sein, gerne auch mehr; uns wird
schon nicht langweilig werden. Bei weniger als 40 min. warte ich lieber auf
eine spätere Gelegenheit. Sage mir bitte vorher wie viel Zeit Du hast/einplanst.
- Persönlich: Nicht während Deiner Arbeitszeit, Friends & Family
nicht am selben Tisch. Nur Du und ich.
- Sichtbarkeit: Der Treffpunkt sollte gut beleuchtet sein,
Sonnenbrillen sind Tabu. Ich will Dein Gesicht gut sehen. Ich bitte Dich,
auf Make-Up so weit wie möglich zu verzichten.
- Geruch: Ich will Dich kennen lernen und nicht Dein Lieblings-Parfüm!
Parfüm stellt eine geruchliche Barriere zwischen Dir und mir dar. Das
irritiert mich und erzeugt in mir ein Gefühl der Distanz. Verzichte bitte
an diesem Tag auf Parfüm.
- Ort: Am liebsten bei mir, Dir (Garten?), im Park (spazieren gehen),
sonst wo draußen aber in ruhiger Atmosphäre, Café, wo immer man sich
gut unterhalten kann (in dieser Reihenfolge). Nicht im Kino, Konzert oder
auf der Tribüne, denn es geht um uns und nicht um die anderen.
- Koordination: Ich möchte vorher Deine Handy-# haben. Man weiß
nie, was sich ereignet, ob man sich findet, was auch immer ... Mobiltelefone
gehören inzwischen zur Grundausstattung, notfalls kann man sich eines
leihen. Üblicherweise trifft man sich "auf neutralem Boden",
da ist keiner von uns beiden über Festnetz erreichbar.
Was ist der (mein) Zweck oder das Ziel des 1. Dates?
Auch darüber gibt es sicher äußerst unterschiedliche Meinungen.
Das hängt auch davon ab, was jemand sucht. Wer auf sowas wie die viel-zitierten
One-Night-Stands scharf ist, wird andere Prioritäten verfolgen, als jemand
der heiraten und Kinder bekommen möchte. Für mich ist es z.B. uninteressant,
was mein Gegenüber verdient, weil ich eine Partnerschaft niemals vom Geld
abhängig machen würde, und es interessiert mich auch nicht, welche
Sexpraktiken Du bevorzugst, weil ich beim 1. Date noch gar nicht weiß,
welche Art von Beziehung sich aus diesem Treffen mal entwickeln könnte.
Was erwarte ich also von einem ersten Treffen?
- Kongruenz: Ich will sehen, ob mein Gegenüber tatsächlich
dem Eindruck entspricht, den ich vom Profil her oder von Mails oder Telefonaten
bisher gewonnen habe. War das Profilfoto vielleicht 10 Jahre alt? Hat die
Person seit unserem letzten Gespräch 20 Kilo zugenommen? ;-) Stelle ich
fest, dass bewusst getäuscht wurde, war das erste Date auch das letzte.
- "Chemie": Möchte ich mein Gegenüber
gerne berühren? Eine Frage, die nur durch ein "reales" Treffen
überhaupt entscheiden werden kann. Das ist ein rein körperlicher
Aspekt, der sich nach meiner Erfahrung sofort zeigt und auch über die
Jahre dann nicht verändert. Stimmt die Chemie nicht, scheiden intime
Partnerschaft und Massagekontakt schon mal aus.
- Offenheit: Ist mein Gegenüber offen zu mir? Besteht
ein gewisses Grundvertrauen? Können wir uns einigermaßen entspannt
austauschen oder ist unser Gespräch eine Verkettung von Missverständnissen?
Das erste Date ist nicht der Zeitpunkt um Entscheidungen zu treffen oder Urteile
zu fällen, sondern um unvoreingenommen mit allen Sinnen wahr zu nehmen.
Das war's. Mehr erwarte ich von einem ersten Treffen nicht.
Zu Dir oder zu mir? Hoffnungen und Grenzen
Wie weit sollte ein erstes Treffen gehen? Ich finde es großartig,
wenn es bis zu einer gefühlvollen Massage auf Gegenseitigkeit geht! Das ist
mir allerdings erst ein mal passiert und ist für mich "das höchste
der Gefühle", denn ich wäre unter keinen Umständen bereit
schon beim ersten Treffen zum Sex über zu gehen.
Warum kein Sex beim ersten Date?
Sicher ist auch Sex eine Möglichkeit sich besser kennen zu lernen, aber es
beeinflusst das Urteilsvermögen in extremer Weise. Die Frage im Kopf: "Werden
wir heute auch Sex haben?" verhindert IMHO ein entspanntes Kennenlernen.
Ein sexuelles Erlebnis würde zu sehr starken Verzerrungen in der "Nachbetrachtung"
nach dem ersten Date führen. Sich nach dem 1. Date wieder zurück zu
ziehen, für sich zu sein, in Unabhängigkeit Zeit auf eine Nachbetrachtung,
eine gründliche Reflektion des Erlebten zu verwenden, ist notwendiger Bestandteil
des Dates. So viel Aufmerksamkeit wie man dem gegenüber beim Treffen geben
muss, um ihn kennen zu lernen, so viel Muße erfordert auch das spätere
Überdenken dessen was man erlebt hat. Beim Date nimmt man wahr, danach reflektiert
man in Ruhe und dann erst ist es Zeit für irgend welche Entscheidungen. Und
erst danach ist der sinnvollerweise frühestmögliche Zeitpunkt für
eine Entscheidung darüber, ob es auch nur akzeptabel ist, hier eine sexuelle
Beziehung anzufangen.
Für mich liegt der schmale Grad zwischen einem großartig verlaufenen
1. Date und dem Beginn einer Affäre, die ich bereuen werde, zwischen gefühlvoller
Massage und sexueller
Interaktion.
Gewidmet Olaf
Georg Klein und seinem
Buch
Ihr könnt uns einfach nicht verstehen
Warum Ost- und Westdeutsche aneinander vorbeireden.